Wenn wir uns überlegen, anhand von welchen Indikatoren oder Messgrößen die vegane Bewegung Erfolg bemessen könnte, könnte dies die entscheidende Frage sein:
Wie vielen Menschen haben wir bereits ein tolles veganes Geschmackserlebnis beschert?
Wenn die Leute merken, dass veganes Essen gut schmecken kann, wird es wahrscheinlicher, dass sie Argumenten für den Veganismus oder der Idee, dass Nutztiere auch wertvoll sind, aufgeschlossener gegenüber sind (ich habe schon oft darüber geschrieben).
Zwar kaufen bereits viele Menschen – sowohl Veganer als auch Nicht-Veganer – vegane Produkte in Supermärkten oder probieren vegane Gerichte in Restaurants (oder zu Hause) aus. Ich meine aber diejenigen, die dies wahrscheinlich nicht von sich aus tun: Menschen, die möglicherweise Vorurteile gegen veganes Essen haben (dass es langweilig ist, geschmacklos, zu schwierig zuzubereiten usw.). Da sie nicht bereit sind, Geld für Veggieprodukte oder -gerichte auszugeben, wie können wir ihnen etwas Veganes in die Hand geben oder in den Mund stecken?
Eine Möglichkeit ist das, was ich als verdeckten Veganismus bezeichne: man erwähnt einfach nicht, dass ein Produkt, ein Gericht oder ein Restaurant vegan ist, um Vorurteile zu vermeiden. Aber schauen wir uns andere Möglichkeiten an.
Es ist natürlich logistisch etwas aufwändiger, vegane Probierhappen unter die Leute zu bringen, als Flyer zu verteilen, E-Mails zu schicken oder Videos zu zeigen (also die Art, wie Veganer normalerweise gern Überzeugungsarbeit leisten). Man muss das Essen kaufen und den Leuten mitbringen, es vorbereiten und servieren (und am besten gleich prüfen, wie es ankam, und mit Rat und Tat zur Seite stehen). Zwar können wir niemanden zwangsernähren, aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie wir den Abstand zwischen dem zögerlichen Kunden und einem (leckeren) veganen Produkt verkürzen können.
Am einfachsten wäre es natürlich, wenn die Hersteller selbst Kostproben ihrer Produkte an Orten anbieten, wo viele Menschen hinkommen, einkaufen oder essen. Das kann auf einer Messe sein, an einem geschäftigen Ort in der Stadt, oder in Restaurants und Supermärkten. Da Hersteller (oder Geschäfte) möglichst viele Produkte verkaufen wollen, lohnt es sich für sie, wenn so viele Menschen wie möglich ihre Produkte probieren. Sie hoffen darauf, dass das Verteilen von Probierhappen zu mehr Verkäufen führt.
So viel zu den naheliegenden Möglichkeiten. Im Folgenden möchte ich noch ein paar weniger offensichtliche Ideen vorstellen, mit denen man nicht Skeptikern veganes Essen zukommen lassen kann.
1. Kostproben von in Cafeterias angebotenen veganen Gerichten verteilen
Mir hat vor kurzem jemand von einer wahrscheinlich besonders effizienten Strategie für die Verteilung von Kostproben erzählt: In einem Betriebsrestaurant (oder einem anderen Restaurant) können die Kunden täglich (oder an bestimmten Tagen) zwischen einem veganen Gericht und einem Fleischgericht wählen. Normalerweise werden viel mehr Fleischgerichte als vegane Gerichte verkauft. Wenn man jedoch am Eingang des Betriebsrestaurants Kostproben des veganen Gerichts verteilen würde (oder auch nur der Fleischalternative dieses Gerichts – z.B. ein veganes Nugget), während die Kunden in der Schlange warten, könnte der Prozentsatz der verkauften veganen Gerichte dramatisch erhöht werden. Die Person (ein Vertreter eines Unternehmens, das Fleischalternativen herstellt) sagte mir, dass sich bis zur Hälfte der Kunden für das vegane Gericht entscheiden würde!
Das Verteilen der Probierhappen könnten dabei sowohl Vegan-Botschafter als auch Mitarbeiter von Catering-Unternehmen übernehmen. Das tolle daran ist, dass man durch die Kampagne eines oder mehrerer großer Caterer (z.B. Compass, Aramark, Eurest…) bereits einen großen Teil der Bevölkerung abdecken würde. Solche Aktionen könnte man sowohl in Schulen als auch in Betriebsrestaurants durchführen. Auf der Metaebene hätten vegane Organisationen, die sich bei Caterern für diese Art von Kampagnen einsetzen und ihnen vielleicht einen Kampagnenrahmen wie einen Veggie Day oder eine fleischlose Woche/einen fleischlosen Monat bieten, einen potentiell sehr großen Wirkungsgrad, vor allem dann, wenn es um sehr große Firmen geht.
2. Förderung von „gemischten Marken“
Unter einer gemischten Marke verstehe ich eine Marke oder Firma, die sowohl Fleischprodukte als auch vegane oder vegetarische Produkte im Sortiment hat. Diese Unternehmen verfügen über entsprechende Mittel, um ihre eigenen Kunden – die ja bereits vertraut mit der Marke sind – davon zu überzeugen, auch ihre neuen Veggieprodukte zu testen. So habe ich schon Verpackungen von Fleischprodukten gesehen, die die vegetarische Variante des Produktes bewerben, wenn du zu Hause den Deckel abmachst – wie in diesem Beispiel von der deutschen Firma Rügenwalder.

Es gibt aber auch noch weitere Möglichkeiten. Ich hätte noch folgende Ideen (verzeihe mir die vereinfachenden Zeichnungen):

Diese Ideen erfordern natürlicheinige logistische Anstrengungen und man erkennt leicht, dass sie sich nicht an Veganer richten. Aber ich denke, es gibt hier ein großes Potenzial, Skeptiker genau dort zu erreichen, wo es darauf ankommt: nämlich beim Geschmack.
Es könnte sich für Unternehmen auszahlen, diese Ideen auszuprobieren, da es für sie immer wichtiger wird, auf dem veganen Markt weiter Fuß zu fassen. Eine zusätzliche Motivation könnte dabei sein, dass die Gewinnspanne der Veggieprodukte in einigen Fällen höher sein dürfte.
Man darf den Mehrwert einer großen, vertrauenswürdigen Marke nicht außer Acht lassen. Wenn Fleischesser eine vegetarische Version eines Produkts sehen, das sie kennen und dem sie vertrauen, ist es wahrscheinlicher, dass sie das Produkt dieser Marke kaufen, als von einer Marke, die sie nicht kennen. Vor kurzem habe ich eine Grafik des Marktforschungsunternehmens GFK gesehen (die ich hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht zitiere), die die Marktdurchdringung (d.h. wie viele Leute das Produkt tatsächlich ausprobiert hatten) von vegetarischem Käseaufschnitt in Deutschland zeigt. Für die Veggievariante einer bekannten Fleischmarke waren dies nicht weniger als 48 %. Eine der bekannteren vegetarischen Marken lag hingegen bei lediglich zwei Prozent!
3. Vegan-Botschafter als Probierhappenverteiler
Es gibt viele Vegan-Aktivisten, die auf der Straße mit Videos, Flyern und in Gesprächen moralische Botschaften verbreiten. Das ist super, aber ich denke, diese Interaktionen könnten deutlich mehr bewirken, wenn sie auch eine Kostprobenkomponente beinhielten. Ein veganes Nugget (wahrscheinlich eines der am besten zum Verteilen geeigneten herzhaften Produkte) könnte z.B. ein Gesprächsstarter sein, der die Leute weniger defensiv beim Diskutieren über Tierleid macht, da sie feststellen, dass nicht allzu viel zu verlieren ist.
Ich denke, dass die Tierschutzbewegung Verteilaktionen in einem viel größeren Rahmen organisieren könnte, als sie es bisher tut. Wir könnten potentiell jeden Tag zehntausende vegane Probierhappen auf der Straße, auf Festen und Messen mit oder ohne besonderen Anlass verteilen.
Kane Rogers und Mei Wong, zwei australische Aktivisten, leiten die Kampagne „The food you choose“ [Das Essen, das du wählst] in Melbourne. Diese Kampagne konzentriert sich vor allem darauf,Menschen dazu zu bewegen, veganes Essen zu probieren. Kane und Mei haben viel Erfahrung mit dem Verteilen von Probierhappen, daher habe ich sie nach ihren besten Tipps für Verteilaktionen gefragt. Sie schlagen Folgendes vor:
Sag ihnen nicht, dass es vegan ist… zuerst.
Da ein als „vegan“ gekennzeichnetes Produkt für viele immer noch ein Abtörner zu sein scheint, ist es besser, dies am Anfang nicht zu erwähnen. Stattdessen können Sie z.B. „Kostenlose und nachhaltige Lebensmittel“ oder „Cholesterinfreie Lebensmittel“ auf Ihre Schilder schreiben. Passen Sie sich Ihrer Zielgruppe an.
Wenn die Leute das Essen probiert haben, sollten Sie sie fragen, wie es ihnen geschmeckt hat. Es ist wichtig, zuerst ihre Reaktion festzuhalten, damit sie ihre Meinung später nicht ändern können.
Legen Sie die Karten auf den Tisch.
Sagen Sie der Person, dass sie gerade ein pflanzliches Produkt gegessen hat. Menschen werden nicht gerne hinters Licht geführt. Achten Sie daher darauf, dass die Leute sich nicht ausgetrickst fühlen. Sie können die Leute z.B. fragen: „Was glauben Sie, woraus das hergestellt wurde?“
Die Leute sind möglicherweise erstaunt. Sagen Sie ihnen daher, dass die meisten Menschen den Unterschied nicht erkennen würden. So verärgern Sie die Leute nicht und es verstärkt den Gedanken, dass veganes Essen genauso gut schmecken kann wie„normales Essen“.
Sagen Sie ihnen, wo sie es kaufen können.
Wenn Sie etwas für die Tiere oder den Planeten tun möchten, sorgen Sie dafür, dass Leute das Produkt für sich selbst kaufen. Konzentrieren Sie sich auf diesen Aspekt! Sprechen Sie nicht über die Vorteile des Veganismus im Allgemeinen oder darüber, warum sich jemandprinzipiell rein pflanzlich ernähren sollte (es sei denn, jemand fragt danach). Konzentrieren Sie sich nur auf dieses eine tolle Produkt und warum die Leute es kaufen sollten.
Für viele Menschen könnte dies ihreerste Erfahrung mit veganem Essen sein. Es ist daher wirklich wichtig, dass dieser Moment ein schöner ist, der positiv erlebt wird, an den die Leute sich gerne erinnern. Wenn die Person das Produkt nicht mag oder eine starke Abneigung in Bezug auf veganes Essen oder Veganismus im Allgemeinen hat, dann sei es so! Versuche nicht, diese Meinung zu ändern. Mit der Zeit ändert die Person ihre Meinung vielleicht doch noch.
Hier besteht ein großes Potenzial für Partnerschaften mit den Herstellern dieser Produkte. Die vegane Bewegung könnte mit den Herstellern zusammenarbeiten und würde möglicherweise sogar für die Verteilung von Probierhappen bezahlt. Stelle dir nur mal vor, wie viele vegane Nuggets eine Gruppierung wie Anonymous for the Voiceless mit vielen hundert Ortsgruppen auf der ganzen Welt verteilen könnte!

Hast du weitere Ideen, wie man Skeptikern veganes Essen näherbringen könnte? Schreib mir gerne einen Kommentar!
Übersetzung von Jutta Kleine-Horst