Wärst du heute Veganer(in), wenn…?

Realitätscheck: wir möchten, dass alle Veganer(innen) werden, aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung vollzieht diesen Schritt.

Es hilft aber nicht weiter, sich über diese Tatsache zu beschweren oder alle, die nicht vegan leben, als selbstsüchtig, gefühllos oder heuchlerisch zu bezeichnen.

Die Abbildungen unten zeigen dagegen, was wir tun können, um wirklich etwas zu bewegen. Das Kreisdiagramm links stellt die relativ kleine Zahl Menschen dar, die bereit sind, den relativ großen Aufwand auf sich zu nehmen, der derzeit nötig ist, um vegan zu werden. Diese Aufwand wird durch den sehr steilen Weg rechts dargestellt.

Die meisten Veganer(innen) und Tierrechtsaktivist(inn)en wollen den Anteil links erhöhen, indem sie versuchen, die Motivation ihrer Mitmenschen zu steigern, sodass mehr von ihnen bereit sind, den notwendigen Aufwand auf sich zu nehmen.

Dies ist für sich genommen aber nicht ausreichend, um eine vegane Welt zu schaffen. Ich bin Optimist und glaube daher, dass die meisten Menschen mit den Tieren empfinden und nicht wollen, dass ihnen Leid zugefügt wird. Das Problem ist lediglich, dass es sie nicht genug kümmert, um zu viele Unannehmlichkeiten (oder das, was sie als Unannehmlichkeiten wahrnehmen) zu ertragen.

Neben dem Erhöhen der Motivation müssen wir daher auch – genau! – die Steilheit des Weges reduzieren.

Dies bedeutet, ein Umfeld zu schaffen, das jede Menge veganer Alternativen bietet und in welchem die Herstellung von Tierprodukten zunehmend schwieriger wird. Die Leute müssten dann immer weniger Aufwand auf sich nehmen und benötigten folglich weniger Motivation. Je geringer der Anstieg des Weges (d.h. je vegan-freundlicher das Umfeld), umso mehr Menschen entschließen sich, vegan zu leben.

Einige werden erst zu Veganer(inne)n, wenn der Pfad so aussieht:

Und für einige Nachzügler muss er gar so aussehen:

Viele Veganer(innen) finden es traurig und deprimierend, dass wir die Dinge erst einfacher machen müssen, bevor die Menschen tun, was moralisch richtig ist. Ich kann das gut verstehen. Aber wir sollten auch beachten, dass weder du noch ich ausschließlich aus moralischen Gründen vegan geworden sind. Auch wir waren auf die Verfügbarkeit von Alternativen angewiesen, ohne die wir diesen Weg womöglich nicht gegangen wären. Du magst glauben, dass du nur das richtige Wissen benötigt hast oder nur auf die richtigen Ideen kommen musstest, aber das stimmt nicht: Du fingst damit an, vegan zu leben, als du motiviert genug warst, um den Berg hinaufzukraxeln. Einige Menschen haben sich dazu bereits entschlossen, als der Weg noch steiler war, zum Beispiel in den 1970ern.

Für jeden von uns mussten bestimmte Bedingungen gegeben sein, um diesen Schritt zu gehen. Nur die wenigsten oder überhaupt niemand könnten einen derart steilen Weg hinaufsteigen:

Oder gar einen solchen:


Es ist alles relativ. Sei froh, dass du dich schon jetzt (oder gar vor längerer Zeit) entschlossen hast, vegan zu leben. Aber sei dir auch dessen bewusst, dass es schon vor dir Menschen gab, die diesen Schritt gegangen sind. Erwarte daher nicht von jeder und jedem, dass er oder sie sofort einen veganen Lebensstil annimmt. Arbeite an der Motivation UND daran, den Weg einfacher zu machen.

Diese Übersetzung ist auch hier zu finden:
https://veganeueberzeugung.wordpress.com/2017/04/25/waerst-du-heute-veganerin-wenn/.

Es kommt darauf an, großartige Alternativen zu schaffen

Im Jahr 1986 erklärte die International Whaling Commission ein Moratorium über kommerziellen Walfang, der nun überall, außer in ein paar Ländern, verboten ist. Es wäre aber nie dazu gekommen, wenn der kommerzielle Walfang nicht seit dem späten 19. Jahrhundert massiv an Bedeutung verloren hätte.

Wale, insbesondere Pottwale, waren einst eine wichtige Energiequelle. Walöl (Tran) wurde den toten Tieren entnommen und vor allem als Lampenöl, aber auch zum Heizen und in der Herstellung von Seifen, Farbe und anderen Produkten verwendet. Zahlreiche Wale wurden für diese Zwecke getötet.

Whale blubber was used as a source of energy till the invention of kerosene.

Bis Abraham Gesner, ein Arzt und Geologe aus Kanada, die Weltbühne betrat. Im Jahr 1849 entwickelte er Petroleum, eine Flüssigkeit, die aus Kohle, Bitumen und Ölschiefer gewonnen wird. Anders als Walöl hatte es keinen unangenehmen Geruch, es verdarb nicht und – was wohl am wichtigsten war: – es war günstiger herzustellen als Walöl .

Während überall Petroleumdestillerien aus dem Boden schossen und der Treibstoff kommerzialisiert wurde, stürzte die Nachfrage nach Walöl ab. Die Walindustrie hielt sich eine Zeit lang mit dem Verkauf von Knochen, die in Korsetts und anderen Kleidungsstücken verwendet wurden, über Wasser. Jedoch wurden diese schnell durch andere Materialien ersetzt, sodass Walfang letztlich nicht mehr wirtschaftlich interessant war.

Anscheinend war es nie Abraham Gesners Absicht, den Walfang abzuschaffen. Vielmehr spielten, soweit wir wissen, moralische Überlegungen keine Rolle für ihn. Aber das Ergebnis war da: der letzte US-amerikanische Walfänger lief im Jahr 1924 aus und legte einen Tag später wieder an.

Die Tatsache, dass Walöl keine besonders gute Energiequelle mehr war, machte es verständlicherweise sehr viel einfacher, im Jahr 1986 ein Walfangmoratorium zu beschließen. Wenn die Umweltbewegung also letztlich Erfolg hat, und auch die letzten Ländern den Walfang verbieten, wird dies nicht nur auf die Schlagkraft moralischer Argumente zurückzuführen sein, sondern auch auf dessen geringere Bedeutung dank besserer Alternativen.

Aktivismus mit moralischen Argumenten ist wichtig, reicht aber nicht aus. Fleischalternativen, einschließlich sauberem Fleisch [auch kultiviertes Fleisch und In-vitro-Fleisch genannt], werden für das Ende der tierischen Landwirtschaft ebenso entscheidend sein, wie es Petroleum für das Ende des kommerziellen Walfangs war.

Die 12 Eigenschaften hocheffektiver Veganer

Meiner Meinung nach macht einen hocheffektiven Veganer nicht in erster Linie aus, ob er vegan bis auf die letzte Minizutat lebt. Stattdessen geht es darum auf eine Weise zu kommunizieren, die die meisten Herzen und Hirne für mehr Mitgefühl beim Essen und im Leben öffnet. Im Folgenden meine Liste von zwölf Eigenschaften hocheffektiver Veganer.

1. Hocheffektive Veganer können sich in die Lage jeder Person, mit der sie sprechen, hineinversetzen. Sie wissen, dass Menschen in vielerlei Hinsicht vollkommen verschieden sind. So haben sie abweichende Interessen und Motivationen, und unterscheiden sich darin, wie sie Veränderungen und Herausforderungen umgehen. Daher gilt…

2. Hocheffektive Veganer sind anpassungsfähig. Sie können ihre Art zu reden und worüber sie reden an ihr Publikum anpassen. Ihre Vorgehensweise ist nicht dogmatisch. Sie wissen, dass sie moralisch nicht dazu verpflichtet sind, Veganismus als moralische Verpflichtung darzustellen.

3. Hocheffektive Veganer ermutigen jeden Schritt, den jemand unternimmt. Sie wissen, dass Wandel in der Regel nach und nach vonstattengeht. Darum fokussieren sich hocheffektive Veganer auf die guten Dinge, die jemand bereits tut, und nicht auf die Dinge, die er/sie noch nicht tut.

4. Hocheffektive Veganer interessieren sich nicht für „Reinheit“ [im Sinne von moralischer Perfektion]. Sie wissen, dass es unproduktiv ist, sich auf Reinheit zu konzentrieren — sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Sie wollen, so gut wie möglich, veganes Leben machbar, einfach und attraktiv aussehen lassen. Sie wissen, dass Mitgefühl beim Essen keine Sache von „entweder, oder“, „schwarz oder weiß“, „jetzt oder nie“ ist. Sie möchten anderen lieber dabei helfen, den ersten Schritt zu tun, als den letzten.

5. Hocheffektive Veganer müssen nicht immer Recht haben. Stattdessen richten sie ihre Aufmerksamkeit darauf, was effektiv ist. Aus diesem Grund debattieren und diskutieren sie nur selten. Sie wissen, dass sie neben Argumenten auch praktische Informationen, Rezepte oder geschmackliche Erfahrungen (wenn sie für andere kochen) zu bieten haben.

6. Hocheffektive Veganer können gut zuhören. Sie wissen, dass zuhören für echte Kommunikation unabdingbar ist. Daher können sie auch Fragen stellen und wissen, wann es am besten ist, nichts zu sagen. Sie sind freundlich und haben einen Sinn für Humor. Sie wissen, dass der Verlauf ihrer Gespräche oft wichtiger ist als deren Inhalt.

7. Hocheffektive Veganer erinnern sich, wie es war, als sie noch nicht Veganer waren — sie leiden nicht unter veganer Amnesie. Sie wissen, dass sie einmal Tierprodukte aßen und möglicherweise selbst kein Ohr für die Tierrechtsargumente hatten, selbst wenn sie ihnen klar dargelegt wurden. Daher sind sie geduldig und haben Verständnis.

8. Hocheffektive Veganer wissen, dass ein Einstellungswandel der Verhaltensänderung folgen kann. Darum ist es ihnen egal, wenn Leute aus Gesundheits- oder sonstigen Gründen ihre „vegane Reise“ antreten.

9. Hocheffektive Veganer haben Demut. Sie wissen, dass sie nicht perfekt sind. Sie wissen, dass andere Menschen in der Lage sind, große Dinge zu tun, selbst wenn sie keine Veganer sind. Und sie wissen, dass sie nicht auf alles eine endgültige Antwort haben.

10. Hocheffektive Veganer haben Vertrauen in Menschen. Sie wissen, dass die meisten Menschen Gutes tun wollen und nicht möchen, dass Tiere leiden. Hocheffektive Veganer wissen, dass Wandel Zeit braucht. Sie haben erkannt, dass es wichtig ist, von Mitgefühl bestimmtes Handeln und Essen zu erleichtern, indem mehr und bessere vegane Optionen bereitgestellt oder entwickelt werden.

11. Hocheffektive Veganer verstehen, wie ausschlaggebend wichtig gute Nahrungsmittel sind. Sie begrüßen die Entwicklung neuer Produkte, sie lernen zu kochen, und sie sind eine Inspiration für andere, indem sie ihnen erzählen, wie großartig man als Veganer essen kann.

12. Hocheffektive Veganer verurteilen niemanden. Sie verstehen Veganismus als einen Weg und nicht als einen Endpunkt; als etwas, dass niemals vollendet ist, und das auf vielen verschiedenen Wegen begonnen werden kann.

Mehr zu den hier dargelegten Ideen in diesen Videopräsentationen [englisch].

Diese Übersetzung ist auch hier zu finden: http://www.veggie.de/die-12-eigenschaften-sehr-effektiver-veganer/.